Entwurf zur Umsetzung der EU-Arbeitsbedingungsrichtlinie
Unternehmen sollen neue Pflichten im Hinblick auf den Nachweis und die Transparenz wesentlicher Arbeitsbedingungen treffen. Zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 (Arbeitsbedingungsrichtlinie) hat der Bundestag am 24. Juni 2022 einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen, der voraussichtlich am 1. August 2022 in Kraft tritt. Dieser sieht weitreichende Änderungen insbesondere im Nachweisgesetz (NachwG) vor.
Bisher führte das NachwG ein Schattendasein: Arbeitgeber vereinbarten die wesentlichen Arbeitsbedingungen im Arbeitsvertrag und mussten daher keinen gesonderten Nachweis darüber erteilen. Verstöße waren weitestgehend sanktionslos. Das wird sich künftig ändern:
Erweiterung der Nachweispflichten nach dem NachwG
Arbeitgeber sollen ihren Arbeitnehmern künftig über den bisherigen § 2 NachwG hinaus u. a. auch zu folgenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einen Nachweis aushändigen:
- sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit (ergibt sich schon bisher mittelbar aus dem Gesetz),
- Einzelheiten der vereinbarten Arbeitszeit, insbesondere über vereinbarte Ruhepausen und -zeiten,
- die Möglichkeit und Voraussetzungen der Anordnung von Überstunden,
- die Vergütung und Modalitäten der Auszahlung von Überstunden,
- die erforderliche Schriftform einer Kündigung, sowie
- das Verfahren (insbesondere die Frist) zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach Ausspruch einer Kündigung durch den Arbeitgeber.
Besonders ist vor allem der notwendige Hinweis auf die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Zwar soll diese nach dem Gesetzentwurf auch bei fehlendem Hinweis gelten, doch ist fraglich, ob dies den Vorgaben der Arbeitsbedingungsrichtlinie entspricht. Ein entsprechender Hinweis an die Arbeitnehmer sollte daher unbedingt aufgenommen werden.
Diese Neuerungen gelten für alle Arbeitsverhältnisse, insbesondere auch für Werkstudentenverträge, Verträge für Minijobber und für vorübergehende Aushilfen, selbst wenn sie nur für höchstens einen Monat eingestellt werden.
Schriftlicher Arbeitsvertrag zur Vermeidung eines Bußgeldes
Arbeitgeber können und sollten diese Anforderungen auch künftig per Arbeitsvertrag umsetzen. Dann müssen sie keinen gesonderten schriftlichen Nachweis erteilen (ein separater schriftlicher Nachweis dürfte ohnehin unpraktisch sein). Hierfür soll weiterhin die strenge Schriftform gelten, die elektronische Form ist ausgeschlossen – obwohl die Arbeitsbedingungsrichtlinie dies ausdrücklich zulassen würde. Anders als bisher bleibt dafür kein Monat mehr Zeit: Vielmehr müssen die wesentlichen Arbeitsbedingungen zum Teil bei Arbeitsbeginn, zum Teil am siebten Kalendertag und nur noch teilweise spätestens nach einem Monat nachgewiesen werden.
Eine Herausforderung besteht zudem für vor dem 1. August 2022 bestehende Arbeitsverhältnisse: Hier sollen die Nachweise, soweit sie noch nicht erteilt wurden, nach Aufforderung innerhalb von nur sieben Tagen erteilt werden.
Bei Verstößen sollen – das ist neu – Bußgelder von bis zu EUR 2.000 drohen, und zwar pro Verstoß und pro Arbeitnehmer. Die Non-Compliance mit diesen neuen Anforderungen wird also künftig schärfer sanktioniert, womit das in der Praxis oft vernachlässigte NachwG nun deutlich an Relevanz gewinnen wird. Ob Landesbehörden, wie das jeweilige Amt für Arbeitsschutz, oder Bundesbehörden, wie die Behörden der Zollverwaltung oder die Bundesagentur für Arbeit, insofern zuständig sein sollen, wird derzeit noch diskutiert.
Veränderungen anderer Gesetze
Neben dem NachwG ist auch die Änderung weiterer Gesetze vorgesehen, u. a. des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) sowie der Handwerks- (HandwO) und Gewerbeordnung (GewO).
Änderungen sind auch im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geplant, die Unsicherheiten in der Vertragsgestaltung geradezu „vorprogrammieren“: Die zu vereinbarende Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen soll künftig „im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit“ stehen. Was das in der Praxis bedeuten soll, lässt der Gesetzentwurf unbeantwortet. Ungeklärt ist derzeit auch noch, ob bei unverhältnismäßig langer Probezeit dann die gesetzlichen Kündigungsfristen oder aber etwaige längere vertragliche Kündigungsfristen von Beginn an gelten sollen.
Praxishinweis
Unternehmen ist zu empfehlen, bereits jetzt ihre Arbeitsvertragsmuster anpassen, da die Vorgaben der Arbeitsbedingungsrichtlinie bis zum 1. August 2022 umgesetzt werden müssen. Damit können Verstöße gegen das NachwG, die nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers zukünftig eine Ordnungswidrigkeit darstellen sollen, vermieden werden.
Die Neuerungen betreffen insbesondere alle Arbeitsverhältnisse, die ab dem Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes – aller Voraussicht nach ab dem 1. August 2022 – begründet werden.
Für Alt-Verträge werden Arbeitnehmer weitergehende Nachweise der wesentlichen Arbeitsbedingungen einfordern können, die dann innerhalb kurzer Frist (Stand jetzt: von sieben Tagen) erteilt werden müssen. Hierauf sollten sich Arbeitgeber durch passende Vorlagen vorbereiten. Für bereits geschlossene Arbeitsverträge, die erst bei oder nach der Gesetzesänderung beginnen, ist Unternehmen zum Ausschluss des Risikos von Ordnungswidrigkeiten zu raten, (kurz) vor Arbeitsaufnahme den neuen Anforderungen nachzukommen.
Parallel bleibt zu beobachten, wie der deutsche Gesetzgeber die Arbeitsbedingungsrichtlinie letztlich im Detail umsetzt. Derzeit steht zu erwarten, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungen in Schriftform (elektronische Form genügt nicht) nachgewiesen werden müssen; das sollte das Unternehmen im Streitfall, z. B. durch Empfangsquittung, beweisen können.
Wie umfangreich der Änderungsbedarf für das Unternehmen ist, hängt von den im Einzelnen verwendeten Arbeitsvertragsmustern ab. Die Arbeitsbedingungsrichtlinie bezweckt, Arbeitnehmern ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen noch deutlicher vor Augen zu führen. Folglich ist mit einer erhöhten Aufmerksamkeit auf Seiten der Arbeitnehmer zu rechnen. Unternehmen sollten unter anderem ihre Arbeitsvertragsmuster fachgerecht und passgenau nachjustieren, um Konflikte mit Arbeitnehmern von vornherein zu vermeiden.