Startschuss für den Aufbau des Wasserstoff-Kernnetztes ist gefallen
Am 22. Juli 2024 wurde der Antrag für das Wasserstoff-Kernnetz durch die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) eingereicht. Bis zum 06. August 2024 bestand die Möglichkeit zur Stellungnahme. Nun prüft die BNetzA den Antrag – und ab dem 01. Januar 2025 soll der Aufbau des Kernnetzes starten.
Die nationale Wasserstoffstrategie - Deutschland als Vorreiter
Die nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung zielt darauf ab, Deutschland als Vorreiter im Bereich der Wasserstofftechnologie zu positionieren. Dies umfasst die Förderung von Forschung und Entwicklung, die Schaffung von Marktanreizen und den Aufbau einer geeigneten Infrastruktur. Das Wasserstoff-Kernnetzes ist ein zentrales Element dieser Strategie und spielt eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung des Energiesystems. Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) ermöglicht flexible Planungen und Anpassungen der Maßnahmen bis 2037, wodurch weitere Infrastrukturen integriert und bestehende Bedarfe in der technischen Planung berücksichtigt werden können.
Wasserstoff-Kernnetz
Der Begriff des Wasserstoff-Kernnetzes ist nicht legal definiert, aber gemäß § 28q Abs. 4 EnWG soll es aus verschiedenen Wasserstoffnetzinfrastrukturen bestehen. § 28q Abs. 1 S. 3 stellt klar, dass das Wasserstoff-Kernnetz im Gegensatz zur Verteilung ausschließlich des überregionalen Transportes von Wasserstoff dient. Ziel ist es, ein deutschlandweites, effizientes, schnell realisierbares und ausbaufähiges Kernnetz zu schaffen, das den überregionalen Transport von Wasserstoff ermöglicht. Das Netz wird aus umgestellten Erdgasleitungen und neuen Wasserstoffleitungen bestehen und einen funktionierenden Wasserstoffmarkt in Deutschland ermöglichen. Durch Nord-Süd- und Ost-West-Korridore wird das Kernnetz die gesamte Fläche Deutschlands abdecken und regional ausgewogen sein. Noch weitgehend ungeklärt ist hingegen die Frage, ob und inwieweit Wasserstoff auch für die regionale „Flächenversorgung“ tatsächlich in bestehenden Netzsystemen nutzbar gemacht werden kann und wie die Einbindung in die „kommunale Wärmewende“ erfolgt.
Eckdaten des H2-Kernnetzes
- Leitungslänge: 9.666 km, wovon rund 60 % auf bestehenden Erdgasleitungen basieren.
- Umstellung und Inbetriebnahme: Die Leitungen werden überwiegend von 2025 bis 2032 sukzessive in Betrieb genommen.
- Kapazitäten: Einspeise- und Ausspeisekapazitäten des Netzes betragen rund 100 GW bzw. 87 GW.
- Verfahren: Das Projekt folgt einem zweistufigen Verfahren, bei dem zunächst ein Grundgerüst geschaffen und anschließend weiterentwickelt wird.
Das Wasserstoff-Kernnetz ist in die europäische Fernleitungsnetzinitiative „European Hydrogen Backbone“ eingebunden. Bis 2040 soll eine europäische Wasserstoffinfrastruktur mit einer Gesamtlänge von 53.000 km entstehen, wobei mehr als 60 % der bestehenden Gasleitungen genutzt und adaptiert werden können. Die Kosten dafür liegen bei etwa 80 bis 143 Milliarden Euro.
Kosten des Aufbaus und Finanzierung in Deutschland
Die Kosten für den Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes in Deutschland werden derzeit auf 19,7 Milliarden Euro geschätzt. Die Finanzierung bzw. Refinanzierung soll größtenteils durch Einnahmen aus Netzentgelten bis 2055 gewährleistet werden.
Die Festlegung „WANDA“ der Bundesnetzagentur gemäß § 29 i.V.mit §§ 28o und 28r EnWG sieht einen intertemporalen Kostenallokationsmechanismus für den Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes vor. Ziel ist es, die derzeit entstehenden Kosten für Netzbetreiber in einer Phase niedriger Marktnachfrage zu verteilen und diese erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn eine höhere Nachfrage besteht, durch Netzentgelte zu refinanzieren. Ab dem 1. Januar 2025 soll ein Hochlaufentgelt eingeführt, das an allen Ein- und Ausspeisepunkten des Kernnetzes (bundeseinheitlich) durch Wasserstoff-Kernnetzbetreiber erhoben wird. Dieses Entgelt diene der Refinanzierung der Infrastrukturkosten in der Anfangsphase des Netzbetriebs, in der die Einnahmen voraussichtlich unter den tatsächlichen Kosten liegen werden. Die genaue Höhe des Hochlaufentgelts beabsichtigt die Bundesnetzagentur in einer späteren Festlegung noch zu konkretisieren. Die Einnahmen aus dem Hochlaufentgelt sollen auf einem intertemporalen Kostenallokationskonto verbucht werden, welches so lange wächst, bis die Marktnachfrage steigt und die jährlichen Erlöse die Kosten übersteigen. Nach Erreichen dieses Punktes soll das Konto schrittweise abgebaut, bis es ausgeglichen ist. Die Amortisationsphase ende, wenn das Konto wieder einen Stand von Null erreicht hat, spätestens jedoch am 31. Dezember 2055. Danach erfolgt die Umstellung auf ein System mit jährlich kostendeckenden Entgelten.
Zudem wird, um die Liquiditätslücken, die durch die zeitliche Verschiebung der Erlöse entstehen, zu überbrücken, ein staatlich abgesicherter Fördermechanismus eingerichtet. Dieser Mechanismus ist nicht Teil der Festlegung „WANDA“, sondern wird gesondert in den §§ 28r und 28s EnWG geregelt. Im Rahmen dieser Regelung kann die kontoführende Stelle – eine privatrechtliche Institution, die von den Wasserstoff-Kernnetzbetreibern gemeinschaftlich im Einvernehmen mit dem Bund beauftragt wird – als Darlehensnehmerin eine oder mehrere Darlehensvereinbarungen mit einer zwischenfinanzierenden Stelle im Auftrag des Bundes als Darlehensgeberin abschließen.
Wichtige Akteure: Wer treibt das Projekt voran?
- Fernleitungsnetzbetreiber (FNB): Zuständig für die Planung und den Bau des Kernnetzes.
- Bundesnetzagentur (BNetzA): Überwacht und genehmigt den Netzausbau.
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): Entwickelt strategische Vorgaben und Rahmenbedingungen.
Verfahrensablauf: Von der Planung zur Umsetzung
Gemäß dem EnWG müssen die FNB einen formellen Antrag zur Genehmigung des Wasserstoff-Kernnetzes bei der BNetzA einreichen. Diesen haben die FNB bereits eingereicht. Der Antrag wird von der BNetzA nun geprüft, die innerhalb von zwei Monaten nach vollständiger Einreichung entscheiden sollte (§ 28q Abs. 8 S. 2 EnWG). Der Prüfprozess umfasst öffentliche Konsultationen und die Möglichkeit für Stakeholder, Stellungnahmen abzugeben. Die genaue Trassenführung wird in einem späteren Planungs- und Genehmigungsverfahren entschieden, für das die jeweiligen Landesbehörden zuständig sind. Nach der Genehmigung beginnen die FNB mit dem Aufbau des Kernnetzes. Im Rahmen dieser Verfahren besteht für Behörden, Träger öffentlicher Belange und die breite Öffentlichkeit in aller Regel die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben. Erste Leitungen sollen bereits im kommenden Jahr auf Wasserstoff umgestellt werden.
Ausblick
Der Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes ist ein langfristiges Vorhaben. Für die einzelnen Stakeholder hat er verschiedene, aber zum Teil auch gleiche Auswirkungen; dazu gehören u.a.:
- Wasserstoff-Kernnetzbetreiber: Angesichts der technischen Anforderungen, wie der hohen Druckstufe und einem Mindestdurchmesser von DN200, werden Leitungen des Wasserstoff-Kernnetzes voraussichtlich als „Wasserstofftransportnetz“ eingestuft. Unabhängig von dieser Klassifizierung unterliegen Betreiber, die Teile des Wasserstoff-Kernnetzes betreiben, den Entflechtungsvorgaben gemäß § 28m EnWG. Eine Zertifizierungspflicht für diese Betreiber ergibt sich derzeit jedoch nicht aus den Vorschriften des EnWG. Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 EnWG ist nur der Betrieb eines Transportnetzes zertifizierungspflichtig, wobei ein Transportnetz als jedes Übertragungs- oder Fernleitungsnetz definiert ist (§ 3 Nr. 31h EnWG). Die Definition der Fernleitung umfasst dabei ausschließlich den Transport von Erdgas durch ein Hochdruckfernleitungsnetz gemäß § 3 Nr. 19 EnWG. Betreiber von Wasserstoffnetzen, die Teil des Wasserstoff-Kernnetzes nach § 28q EnWG sind, unterfallen automatisch der Regulierung. Für diese gelten neben den Vorgaben der Wasserstoffnetzentgeltverordnung (WasserstoffNEV) auch die der Festlegung WANDA und den darin enthaltenen abweichenden Regelungen zur Entgeltbildung für das Wasserstoff-Kernnetz.
- Wasserstofftransportnetzbetreiber: Für Betreiber von Wasserstofftransportnetzen wird die Zertifizierungspflicht erst mit der Umsetzung der europäischen Gas-Richtlinie eingeführt.
- Verteilernetzbetreiber: Verteilernetze können künftig an das Wasserstoff-Kernnetz angeschlossen werden, um die regionale Verteilung von Wasserstoff sicherzustellen. Die Planungen müssen dabei die regionale Wärmewende berücksichtigen. Verteilernetzbetreiber werden voraussichtlich eine wichtige Rolle bei der Verbindung regionaler Wasserstoffkunden mit dem überregionalen Netz spielen.
- Anschlussnehmer: Für Anschlussnehmer wie H2-ready-Kraftwerke gelten weiterhin die bestehenden Zugangs- und Anschlussregelungen, die besagen, dass sie die Kosten für den Netzanschluss tragen müssen. Detaillierte Regelungen für den Zugang zum Wasserstoff-Kernnetz und anderen regulierten Wasserstoffnetzen werden aktuell erarbeitet. Bis dahin dürfen Netzbetreiber die Kosten für den Netzanschluss vom Anschlussnehmer verlangen (gemäß § 4 WasserstoffNEV).
- Nicht-Wasserstoff-Kernnetzbetreiber: Für Betreiber von Wasserstoffnetzen außerhalb des Kernnetzes gilt weiterhin das freiwillige Opt-In-Modell der WasserstoffNEV. Eine verpflichtende Regulierung der Netzentgelte ist aufgrund zukünftiger europarechtlicher Vorgaben perspektivisch möglich, jedoch derzeit noch nicht konkret festgelegt.
- Für die Industrie: Die Einführung und Anpassung von Standards und Vorschriften für das Wasserstoff-Kernnetz kann neue Anforderungen an Sicherheits- und Umweltstandards mit sich bringen. Unternehmen sollten sich proaktiv über die relevanten Vorschriften informieren und sicherstellen, dass ihre Systeme und Prozesse den neuen Standards entsprechen.
- Für Versorger: Neue regulatorische Anforderungen können Sicherheitsstandards, Umweltauflagen und Zugangsregulierungen umfassen. Versorger sollten sich über aktuelle und zukünftige regulatorische Entwicklungen auf dem Laufenden halten und ihre Kunden bei der Einhaltung der neuen Vorschriften unterstützen.
- Für Verbraucher: Die Kosten für Wasserstoff können anfangs höher sein, da die Infrastruktur neu aufgebaut wird. Verbraucher sollten die Preisentwicklung für Wasserstoff beobachten und sich über neue gesetzliche und regulatorische Anforderungen informieren.
Unsere Unterstützung
Allein der Blick auf die angesprochenen Kreise zeigt, wie komplex der Aufbau und die Etablierung wirtschaftlicher Systeme und Einsatzmöglichkeiten noch werden wird. Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an. Unser Beratungsteam aus Energie- und Finanzierungsexperten steht Ihnen gerne zur Verfügung.