Am 26. Oktober 2023 wurde der „Economic Crime and Corporate Transparency Act 2023” (kurz: ECCTA 2023) in Großbritannien erlassen. Das Gesetz über Wirtschaftskriminalität und Unternehmenstransparenz markiert einen signifikanten Wendepunkt in der britischen Gesetzgebung zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. Im Folgenden soll ein Überblick über die wichtigsten Compliance-Änderungen mit Relevanz für deutsche Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen nach Großbritannien gegeben werden.
Der Economic Crime and Corporate Transparency Act 2023: Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte für deutsche Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen in das Vereinigte Königreich
Ziele des ECCTA
Das ECCTA führt eine breite Palette von Reformen ein und bildet einen neuen wichtigen Bestandteil der laufenden Gesetzgebungsstrategie des Vereinigten Königreichs zur Bekämpfung der Wirtschafts- und Finanzkriminalität. Die britische Regierung bezeichnet dieses Gesetz als die bedeutendste Reform des Identifizierungsprinzips („identification principle“) seit über 50 Jahren.
Erweiterung des Identifizierungsprinzips
Eine zentrale Neuerung des ECCTA 2023 ist die Modifizierung des Identifizierungsprinzips durch die Einführung des sogenannten „Senior-Manager-Tests“, welcher es britischen Behörden wesentlich leichter machen wird, im Ausland ansässige Unternehmen für Wirtschaftsdelikte strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Nach dem bisherigen Identifizierungsprinzip konnte eine Straftat einer Person einem Unternehmen nur zugerechnet werden, wenn der Täter das Unternehmen nach seinem Willen geleitet oder kontrolliert hat („the directing mind and will of the corporation“). Da insbesondere bei größeren Unternehmen die Feststellung, welche Person die zentrale Entscheidungsmacht hatte, schwer zu treffen war, wurde mit dem ECCTA der „Senior-Manager-Test“ eingeführt. Nach dem „Senior-Manager-Test“ kann sich das Unternehmen strafbar machen, wenn die Straftat von einem „Senior-Manager“ (leitenden Angestellten) begangen wird, der im tatsächlichen oder scheinbaren Rahmen seiner Befugnisse handelt. Der ECCTA definiert einen „Senior Manager“ als eine Person, die eine wesentliche Rolle bei der Entscheidungsfindung beziehungsweise im Management oder der Verwaltung des gesamten Unternehmens oder eines wesentlichen Teils desselben spielt. Diese Definition erweitert den Kreis der Personen, deren Handlungen direkte Auswirkungen auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens haben können. Ab wann es sich bei einer Person um einen „Senior-Manager“ handelt, ist nicht festgelegt; Personen unterhalb der Vorstandsebene können hierunter fallen. Auch eine durch den „Senior-Manager“ durchgeführte Förderung, Unterstützung, Beaufsichtigung oder Veranlassung einer Straftat, die von einem Untergebenen begangen wird, wird dem Unternehmen zugerechnet.
Einführung des „Failure to Prevent Fraud“
Eine weitere bedeutende Innovation ist der Straftatbestand „Failure to Prevent Fraud“, der eine verschuldensunabhängige Haftung für große juristische Personen, Personengesellschaften und Konzernunternehmen einführt, die Betrugsdelikte im eigenen oder in verbundenen Unternehmen nicht verhindern. Dabei meint der Begriff „Betrug“ im Sinne des englischen Begriffs „Fraud“ auch beispielsweise Untreue-, Diebstahls- oder Unterschlagungsdelikte. Unternehmen können sich nur exkulpieren, wenn sie nachweisen können, ausreichende Präventionsmaßnahmen getroffen zu haben.
Stärkung der Kompetenzen des Handelsregisterführers
LLPs müssen zukünftig detailliertere Informationen über ihre Eigentümerstrukturen bereitstellen. Hierzu gehören Informationen zu Gesellschaftern, Personen mit erheblicher Kontrolle (PSCs) sowie juristischen Personen mit erheblicher Kontrolle, sogenannten „relevanten juristischen Personen“ (RLEs). Das britische Handelsregister (Companies House) wird berechtigt, Informationen mit anderen Behörden auszutauschen und zu teilen und Nachforschungen anzustellen, sollten Einreichungen irreführend oder verdächtig erscheinen. Ziel ist die Erhöhung der Transparenz und die Vermeidung der Registrierung fiktiver Gesellschafter zur Verschleierung der tatsächlichen Kontrollstrukturen. Wer fehlerhafte Informationen einreicht, kann sich zukünftig strafbar machen.
Der Registerführer wird zudem befugt, Informationen aus dem Companies House zu löschen und sogar unter Umständen Unternehmen zu streichen, wenn diese notwendige Informationen anhaltend nicht oder nicht korrekt angeben.
Ausländische Gesellschaften, die in Großbritannien Land besitzen und beim Companies House registriert sind, können aufgefordert werden, zusätzliche Informationen und Dokumentation nachzureichen. Das Nichtbefolgen einer solchen Aufforderung kann mit Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden. Durch die zusätzliche Änderung des „Land Registration Act 2002“ können solche Gesellschaften zudem deregistriert werden und damit auch die Möglichkeit zum Erwerb, Verkauf, Verpachtung oder zur Bestellung von Grundstückslasten verlieren.
Handlungsbedarf für Unternehmen
Die neue Gesetzgebung gilt für Körperschaften und Personengesellschaften unabhängig davon, wo sie registriert sind oder gegründet wurden. So kann etwa der Arbeitgeber strafrechtlich verfolgt werden, wenn ein Angestellter einen nach britischem Recht strafbaren Betrug begeht, auch wenn das Unternehmen und der Angestellte im Ausland ansässig sind. Daher sollten auch deutsche Unternehmen das ECCTA zum Anlass nehmen, ihre internen Richtlinien und Verfahren zur Betrugsverhinderung, Whistleblowing, Finanzmanagement, interner Revision und Finanzkontrollen umfassend zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Unternehmen sollten proaktiv handeln, um ihre Risikoexposition zu minimieren und die Einhaltung der neuen gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen.
Unsere Unterstützung
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